Kapitel 67
Als das Erste Mysterium dies zu seinen Jüngern gesagt hatte, ergriff er wieder das Wort und sprach: „Begreift ihr, in welcher Weise ich mit euch rede?“
Jakobus trat vor und sprach: „Mein Herr, was die Erklärung dieser deiner Worte betrifft, so hat darüber einst deine Lichtkraft durch David im 91. Psalm[1] prophezeit:
Jakobus interpretiert die Erzählung anhand von Versen aus Psalm 91
Anmerkung des Übersetzers: Jakobus interpretiert zunächst die Worte Jesu, indem er sie mit entsprechenden Stellen im Psalm 91 vergleicht (Punkte 1 bis 16). Dann redet er „offen“ über jeden einzelnen Punkt (aber nur Punkte 1 bis 14), indem er jeweils eine Stelle von Psalm 91 noch einmal – nicht immer 1:1 – zitiert und mit dem Lobgesang der Pistis Sophia bzw. den Worten Jesu vergleicht. Um diese verschachtelte Prozedur übersichtlicher zu machen, wurden die Interpretation und die „offene“ Rede abweichend vom Originalatext hintereinander angeordnet.
[Interpretation] 1. Wer da wohnt unter dem Schirme des Höchsten, wird unter dem Schatten Gottes des Himmels weilen.
[„offene“ Rede] 1 Dies, mein Herr, ist die Erklärung der Worte, die du gesprochen hast. Höre nun, damit ich es offen sage: Das Wort nun, das deine Kraft durch David gesagt hat: ‚Wer da wohnt unter dem Schirme des Höchsten, wird unter dem Schatten Gottes des Himmels weilen‘ bedeutet:
Als die Sophia auf das Licht vertraut hatte, weilte sie unter dem Licht des Lichtabflusses, der durch Dich aus der Höhe gekommen war.
[Interpretation] 2. Er wird zum Herrn sagen: Du bist mein Beistand und meine Zuflucht, mein Gott, auf den ich vertraue.
[„offene“ Rede] 2 Und das Wort, das deine Kraft durch David gesagt hat: ‚ Ich werde zum Herrn sagen: Du bist mein Beistand und meine Zuflucht, mein Gott, auf den ich vertraue‘ – entspricht dem Wort aus dem Lobgesang der Pistis Sophia:
‚du bist mein Beistand und ich komme zu dir‘.
[Interpretation] 3. Denn er wird mich aus der Schlinge der Jäger und vor einem mächtigen Wort retten.
[„offene“ Rede] 3. Und weiter das Wort, das deine Kraft gesprochen hat: ‚Mein Gott, auf den ich vertraue, du wirst mich retten aus der Schlinge der Jäger und vor einem mächtigen Wort.‘ – dies entspricht dem Wort der Pistis Sophia:
‚[„offene“ Rede] Licht, ich glaube an Dich, denn du wirst mich vor den Emanationen des Authades und jenen von Adamas, dem Tyrannen retten. Und du wirst mich auch vor all ihren gewaltigen Bedrohungen retten.‘
[Interpretation] 4. Er wird Dich mit seiner Brust beschatten, und unter seinen Flügeln wirst Du vertrauen; seine Wahrheit wird Dich wie ein Schild umgeben.
[„offene“ Rede] 4a. Und weiter das Wort, das deine Kraft durch David gesagt hat: ‚Er wird dich mit seiner Brust beschatten, und unter seinen Flügeln wirst du Vertrauen haben.‘ – das bedeutet:
Die Pistis Sophia hat sich im Licht des Lichtabflusses befunden, der von dir gekommen ist; sie hat in ihrem Vertrauen auf das Licht ausgeharrt, das zu ihrer Linken und ihrer Rechten war, welches die Flügel des Lichtabflusses sind.
[„offene“ Rede] 4b. Und das Wort, das deine Lichtkraft durch David prophezeit hat: ‚Die Wahrheit wird dich wie ein Schild umgeben‘ –
dies ist das Licht des Lichtabflusses, das die Pistis Sophia an all ihren Seiten wie ein Schild umgeben hat.
[Interpretation] 5. Nicht wirst Du Dich fürchten vor nächtlichem Schrecken und vor einem Pfeil, der am Tage fliegt.
[„offene“ Rede] 5a. Und das Wort, das deine Kraft gesagt hat: ‚Nicht wird er sich fürchten vor nächtlichem Schrecken‘ – bedeutet:
Die Pistis Sophia fürchtete sich nicht vor den Schrecken und Unruhen, in die sie im Chaos – das ist die Nacht –, versetzt wurde.
[„offene“ Rede] 5b. Und das Wort, das deine Kraft gesagt hat: ‚Nicht wird er sich fürchten vor einem Pfeil, der am Tag fliegt‘ – bedeutet:
Die Pistis Sophia fürchtete sich nicht vor der Kraft, die der Authades schließlich aus der Höhe sandte und wie ein fliegender Pfeil zum Chaos kam.
Nun sagte deine Lichtkraft: ‚du sollst dich nicht vor dem Pfeil fürchten, der am Tag fliegt‘, denn diese Kraft kam aus dem dreizehnten Äon, in dem sich der Herrscher über den zwölften Äon befindet, der alle Äonen erleuchtet; deshalb hat er ‚den Tag‘ gesagt.
[Interpretation] 6. Auch nicht vor etwas, was im Finstern schleicht; vor einem Unfall oder einem dämonischen Schlag am Mittag.
[„offene“ Rede] 6a Und ferner das Wort, das deine Kraft gesagt hat: ‚Nicht wird er sich vor etwas fürchten, was im Finstern schleicht‘ – das bedeutet:
Die Pistis Sophia fürchtete sich nicht vor der löwengesichtigen Emanation, die der Pistis Sophia im Chaos, das die Finsternis ist, Angst einflößte.
[„offene“ Rede] 6b Und das Wort, das deine Kraft gesprochen hat: ‚Er muss mittags keinen dämonischen Schlag fürchten.‘ – das bedeutet:
Die Pistis Sophia fürchtete sich nicht vor der dämonischen Emanation des Tyrannen Adamas, die die Pistis Sophia mit einem großen Schlag niederstreckte, und die aus Adamas, aus dem zwölften Äon, hervorgekommen war. Aus diesem Grund sagte deine Kraft: ‚Er soll keinen dämonischen Schlag zur Mittagszeit fürchten.‘ ‚Mittag‘, weil er (sc. der Schlag) aus dem zwölften Äon kam, was die Mittagsstunde ist.
Und ferner ‚Nacht‘, weil er aus dem Chaos, das die Nacht ist, und dem zwölften Äon kam, der die Mitte zwischen beiden ist. Aus diesem Grund sagte deine Lichtkraft: ‚die Mittagsstunde‘, weil die zwölf Äonen in der Mitte zwischen dem dreizehnten Äon und dem Chaos liegen.
[Interpretation] 7. Tausende werden zu deiner Linken und Zehntausende zu deiner Rechten fallen; nicht aber werden sie dir nahen.
[„offene“ Rede] 7 Und weiter das Wort, das deine Lichtkraft durch David gesagt hat: ‚Tausend werden zu seiner Linken und Zehntausend zu seiner Rechten fallen, doch sie werden sich ihm nicht nähern – das bedeutet:
Als die Emanationen der Authades, die sehr zahlreich waren, das große Licht des Lichtabflusses nicht ertragen konnten, fiel eine Menge von ihnen links von der Pistis Sophia, und eine Menge rechts von ihr. Und sie waren nicht in der Lage, sich ihr zu nähern, um ihr Böses (?) anzutun.
[Interpretation] 8. Vielmehr wirst du sie mit deinen Augen betrachten und die Vergeltung der Sünder sehen.
[Interpretation] 9a. Denn du, o Herr, bist meine Hoffnung;
[„offene“ Rede] 8; 9a Und das Wort, das deine Lichtkraft durch David gesprochen hat: ‚ ‚Vielmehr wirst du sie mit deinen Augen beobachten und die Vergeltung der Sünder sehen, denn du, o Herr, bist meine Hoffnung.‘ – dies entspricht dem Wort:
Die Pistis Sophia beobachtete mit ihren Augen ihre Feinde, nämlich die Emanationen des Authades, wie sie alle übereinander fielen. Nicht nur beobachtete sie sie mit ihren Augen; sondern du selbst, mein Herr, das Erste Mysterium, hast die Lichtkraft, die in der löwengesichtigen Kraft war, genommen sowie die Kraft von allen Emanationen des Authades genommen, und sie in jenem Chaos festgehalten (, damit sie nicht in die Region der Pistis Sophia gehen konnten).
Aus diesem Grund beobachtete die Pistis Sophia mit ihren Augen ihre Feinde, nämlich die Emanationen des Authades, in allem, was David über die Pistis Sophia prophezeite, indem er sagte: ‚Vielmehr wirst du sie mit deinen Augen beobachten und die Vergeltung der Sünder sehen.‘ Nicht nur beobachtete sie sie mit ihren Augen, als sie im Chaos gegeneinander fielen, sondern sie sah auch ihre Vergeltung, mit der ihnen vergolten wurde. So wie die Emanationen des Authades im Sinne hatten, das Licht der Sophia zu nehmen, so hast du ihnen vergolten und heimgezahlt und ihre Lichtkraft genommen anstelle der Lichter der Sophia, die an das Licht in der Höhe geglaubt hat.
[Interpretation] 9b. den Höchsten hast du dir als Zuflucht gesetzt.
[Interpretation] 10. Nicht wird Unheil an dich herankommen, nicht wird Plage deinem Wohnorte nahen.
[„offene“ Rede] 9b; 10 Und wie deine Lichtkraft durch David gesagt hat: ‚Den Allerhöchsten hast du dir zu deiner Zuflucht gemacht. Kein Übel wird dir nähern und keine Plage wird in dein Haus eindringen.‘ – das bedeutet:
Als die Pistis Sophia an das Licht glaubte und bedrängt wurde, sang sie Loblieder auf das Licht, und die Emanationen des Authades vermochten nicht, ihr Böses zuzufügen, noch vermochten sie, sie zu … (?) noch vermochten sie überhaupt an sie heranzukommen.
[Interpretation] 11. Denn er wird seinen Engeln um deinetwillen befehlen, dass sie dich auf all deinen Wegen behüten.
[Interpretation] 12. Auf ihren Händen werden sie dich tragen, damit du ja nicht mit deinem Fuß an einen Stein stößt.
[„offene“ Rede] 11; 12 Und das Wort, das deine Lichtkraft durch David gesagt hat: ‚Er wird seinen Engeln um deinetwillen befehlen, dass sie dich auf all deinen Wegen behüten und dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß ja nicht an einen Stein stößt‘, dies entspricht deinem Wort:
Du hast Gabriel und Michael befohlen, die Sophia in allen Regionen des Chaos zu begleiten, bis sie sie heraufführen, und sie auf ihren Händen zu heben, damit ihre Füße nicht die untere Finsternis berühren und die Bewohner der unteren Finsternis sie (sc. die Pistis Sophia) nicht ergreifen können.
[Interpretation] 13. Über Schlange und Basilisk wirst du schreiten und auf Löwe und Drache treten.
[Interpretation] 14. Weil er auf mich vertraut hat, so werde ich ihn retten. Ich werde ihn beschatten, weil er meinen Namen erkannt hat.
[„offene“ Rede] 13; 14 Und das Wort, das deine Lichtkraft durch David gesprochen hat: ‚Du wirst über Schlange und Basilisk treten und auf Löwen und Drachen treten. Weil er auf mich vertraut hat, werde ich ihn retten und ihn beschatten, weil er meinen Namen erkannt hat.‘ – dies ist das Wort:
Als die Pistis Sophia im Begriff war, aus dem Chaos empor zu gelangen, trat sie auf die Emanationen des Authades. Sie trat auf die schlangengesichtige sowie auf die siebenköpfige basiliskengesichtige Emanationen. Und sie trat auf die löwengesichtige Kraft und auf die mit dem Drachengesicht. Weil sie an das Licht glaubte, wurde sie vor ihnen allen gerettet.
[Interpretation] 15. Er wird zu mir schreien und ich werde ihn erhören. In der Bedrängnis werde ich bei ihm sein. Ich bin bei ihm in seiner Bedrängnis und werde ihn retten und ihn ehren.
[„offene“ Rede] (Keine „offene“ Rede).
[Interpretation] 16. Ich werde ihn mit vielen Tage mehren und ihm mein Heil zeigen.
[„offene“ Rede] (Keine „offene“ Rede).
[1] CS: 90 (nach griechischer Zählung: 91).