Kapitel 32
Der erste Reuegesang der Pistis Sophia
Die Pistis Sophia schrie laut auf und rief zum Licht der Lichter, das sie zu Beginn gesehen und an das sie geglaubt hatte. Und sie rief diese Worte der Reue aus:
- O Licht der Lichter, an das ich von Anbeginn geglaubt habe, höre jetzt, o Licht, auf meine Reue. Rette mich, o Licht; denn böse Gedanken sind in mich eingegangen.
- Als ich zu den niederen Gebieten hinab blickte, sah ich dort ein Licht und dachte: ich will in diese Region hinabsteigen, um das Licht zu nehmen. Und ich ging. Doch ich geriet in die Finsternis im unteren Chaos, und konnte nicht entkommen, um zu meiner Region zurückzukehren, da ich von sämtlichen Emanationen des Authades bedrängt wurde, während die löwengesichtige Kraft mir mein Licht raubte.
- Ich schrie um Hilfe. Doch meine Stimme konnte nicht aus der Finsternis hervorbrechen. Ich schaute also in die Höhe, in der Hoffnung, dass das Licht, an das ich geglaubt hatte, mir zur Hilfe käme.
- Und als ich in die Höhe schaute, erblickte ich die zahlreichen Archonten der Äonen, die auf mich herabblickten und sich über mich lustig machten, obwohl ich ihnen nichts Böses getan hatte. Sie hassten mich ohne Grund. Als die Emanationen des Authades die Schadenfreude der Archonten der Äonen bemerkten, wurde ihnen klar, dass sie mir nicht zu Hilfe kommen würden. Die Emanationen, die mich ohne Grund bedrückten, fassten Mut und nahmen mir das Licht, das ich ihnen nicht genommen hatte.
- Du weißt, o wahres Licht, dass ich aus Naivität gehandelt habe, da ich annahm, das löwengesichtige Licht gehöre dir. Und nun ist die Sünde, die ich begangen habe, vor dir sichtbar.
- Lass mich nun doch nicht entbehren, o Herr; denn ich habe an dein Licht von Anfang an geglaubt. O Herr, Licht der Kräfte, lass mich jetzt nicht mein Licht entbehren.
- Denn wegen deiner Veranlassung und deines Lichts bin ich in diese Bedrängnis geraten und Schande hat mich bedeckt.
- Durch das Licht, das mir vorgetäuscht wurde, bin ich meinen Brüdern, den Unsichtbaren, und den großen Emanationen der Barbelo fremd geworden.
- Dies ist mir geschehen, o Licht, weil ich mich brennend nach deiner Wohnstätte gesehnt hatte. Der Zorn des Authades ist über mich gekommen – desjenigen, der deinem Befehl, die Emanation seiner Kraft auszustrahlen, nicht nachgekommen ist – , weil ich in seinem Äon war, ohne seinem Mysterium zu dienen.
- Und alle Archonten der Äonen verspotteten mich.
- Und ich befand mich in jener Region wehklagend und das Licht suchend, das ich in der Höhe gesehen hatte.
- Die Torwächter der Äonen suchten mich auf und alle, die in ihrem Mysterium verharrten, verspotteten mich.
- Ich aber richtete meinen Blick zu dir in die Höhe, o Licht, und glaubte an dich. Jetzt aber bin ich in der Finsternis des Chaos niedergeschlagen. Wenn du nun kommen willst, um mich zu retten, groß ist deine Barmherzigkeit, so erhöre mich in Wahrheit und rette mich.
- Rette mich aus der Materie dieser Finsternis, damit ich nicht darin untergehe und von den Emanationen der Gottheit – Authades – erlöst werde, die mich mit Bosheiten bedrängen,.
- Lass nicht zu, dass diese Finsternis mich hinabzieht, und lass nicht zu, dass diese löwengesichtige Kraft meine ganze Kraft verschlingt. Lass das Chaos nicht meine Kraft begraben.
- Erhöre mich, o Licht, denn deine Gnade ist kostbar. Blicke auf mich herab, entsprechend der großen Barmherzigkeit deines Lichts.
- Wende dein Antlitz nicht von mir ab, denn ich bin sehr betrübt.
- Erhöre eilends mein Gebet und rette meine Kraft.
- Erlöse mich von den Archonten, die mich hassen, denn du kennst meine Bedrängnis und meine Qual und die Qual um meine Kraft, die sie mir genommen haben. Diejenigen, die mir dies alles angetan haben, sind dir offenbar. Tue ihnen nach deinem Gutdünken.
- Meine Kraft blickte heraus aus der Mitte des Chaos und der Finsternis. Ich wartete auf meinen Paargenossen, dass er käme und für mich kämpfte, aber er ist nicht gekommen. Ich hoffte, dass er käme und mir Kraft ausleihe,[1] doch ich habe ihn nicht gefunden.
- Als ich das Licht suchte, gaben sie mir Finsternis. Und als ich meine Kraft suchte, gaben sie mir Materie.
- Jetzt, o Licht der Lichter, mögen die Finsternis und die Materie, die die Emanationen des Authades über mich gebracht haben, ihnen zum Fallstrick werden. Mögen sie sich darin verstricken. Vergelte es ihnen und lass sie straucheln, damit sie nicht zur Region ihres Authades gelangen.
- Mögen sie in der Finsternis bleiben und nicht das Licht erblicken. Lass sie für immer das Chaos schauen und nicht die Höhe.
- Bringe über sie ihre eigene Rache und möge dein Gericht sie erfassen.
- Schließe sie von nun an von der Region ihrer Gottheit, des Authades, aus und lass seine Emanationen von nun an nicht zu ihren Regionen gelangen. Denn pietätlos und unverschämt ist ihr Gott. Er dachte, diese Bösartigkeiten aus sich selbst getan zu haben, ohne zu wissen, dass er über mich machtlos wäre, wenn ich nicht deinem Gebot gemäß erniedrigt worden wäre.
- Sondern, nachdem du mich deinem Gebot gemäß erniedrigt hattest, haben sie mich um so mehr verfolgt, und ihre Emanationen haben zu meiner Erniedrigung Qualen hinzugefügt.
- Sie haben Lichtkraft von mir genommen und dann begonnen, mich sehr zu quälen, um das gesamte in mir befindliche Licht zu nehmen. Weil sie mir dies angetan haben, lass sie nicht zum dreizehnten Äon, der Region der Gerechtigkeit,[2] aufsteigen.
- Und lass sie nicht zu denen gerechnet werden, die sich selbst und ihr Licht reinigen. Und lass sie nicht zu denjenigen gerechnet werden, die eilends Reue empfinden und deshalb eilends die Licht-Mysterien empfangen.
- Denn sie haben mir mein Licht genommen, meine Kraft ist in mir versiegt und ich bin meines Lichtes beraubt.
- O Licht, das in dir und mit mir ist, deinen Namen preise ich in Herrlichkeit.
- Und mein Loblied möge dir gefallen, o Licht, wie ein herausragendes Mysterium, das in die Tore des Lichts hineinführt, sobald es von denen ausgesprochen wird, die Reue empfinden und durch dieses Licht gereinigt werden.
- Mögen alle Materien sich freuen. Sucht alle das Licht, damit die Kraft eurer Seele, die in euch ist, leben möge!
- Denn das Licht hat die Materien erhört und wird keine Materie ungereinigt lassen.
- Mögen die Seelen und die Materien sowie alles, was sich in ihnen befindet, den Herrn aller Äonen preisen.
- Denn Gott wird die Seelen aus aller Materie erretten. Und es wird eine Stadt im Licht zubereitet werden und alle geretteten Seelen werden in jener Stadt wohnen und sie ererben.
- Und die Seelen derer, welche die Mysterien empfangen werden und derer, welche die Mysterien in seinem Namen empfangen haben, werden in jener Region weilen.